Sunday, May 31, 2015

Klopp zofft sich zum Abschied noch mit Delling

Das Pokalfinale gegen Wolfsburg war Jürgen Klopps letztes Spiel als Trainer von Borussia Dortmund: Erst verabschiedete er sich von den BVB-Fans, danach stritt er sich mit ARD-Moderator Gerd Delling.


Finale verloren und trotzdem obenauf: Jürgen Klopp hat sich nach dem Spiel mit bewegenden Worten von seinem Team, seinem Verein verabschiedet. Selbst der Niederlage konnte er noch etwas abgewinnen.
Quelle: Die Welt

21.53 Uhr stand Jürgen Klopp von seinem Platz auf der Bank auf, klatschte die Reservisten von Borussia Dortmund ab. Er ging auf das Spielfeld, schüttelte Schiedsrichter Dr. Felix Brych die Hand, umarmte dann jeden einzelnen seiner Spieler. Aus der Westkurve des Berliner Olympiastadions erklangen langgezogene "Jürgen Klopp, Jürgen Klopp"-Rufe. Klopp ging einige Meter auf die Fans zu, blieb dann in Höhe der Strafraummarkierung stehen und applaudierte ihnen.

Was mag ihm in diesem Moment durch den Kopf geschossen sein? War es Wehmut aufgrund der nun unwiderruflichen Gewissheit, dass seine Zeit bei Borussia Dortmund mit dem Schlusspfiff des Pokalfinales unwiderruflich zu Ende ist? Dachte er daran, was ihm den kommenden Tagen, Wochen und Monaten fehlen wird, wenn er nicht mehr für diese Mannschaft verantwortlich sein wird? Für eine Mannschaft, die er in den vergangenen sieben Jahren aus dem Nichts aufgebaut hat?

"Alles andere als ein angenehmes Gefühl" sei diese Vorstellung, hatte er bereits Wochen zuvor gesagt, wenn er nach diesem Augenblick befragt worden war.

Doch Klopp wäre nicht Klopp, wenn er in diesem Moment, so kurz nachdem die 1:3-Niederlage feststand, mit seinen Gedanken und Gefühlen nicht noch voll und ganz bei dem Geschehen auf dem Rasen gewesen wäre. "Wie sind die Tore gefallen? Wir können vor der Halbzeit das 2:3 schießen, direkt nach der Halbzeit das 3:3. Wir hatten gar kein Glück bei unseren Situationen", meinte Klopp.

Klopp: "Ich gönne es Wolfsburg"

Er gratulierte im obligatorischen Interview nach dem Spiel aber auch Pokalsieger Wolfsburg äußerst fair: "Es ist im Leben die größte Herausforderung, mit Niederlagen umzugehen. Ich gönne es Wolfsburg, ich gönne es Dieter Hecking. Für uns war die Niederlage heute unnötig."

Und dann ließ der BVB-Trainer den ARD-Moderator Gerhard Delling abblitzen, als der etwas von schnellem Abhaken à la "Es ist ja jetzt auch vorbei" erwähnte: "Sehen Sie", grantelte Klopp hör- und sichtbar geladen, "das ist das Geile an Ihrem Job! Ich glaube nicht, dass Sie in fünf Minuten noch irgendwie Mitleid mit uns haben." Mit dieser Niederlage umzugehen, sei "eine riesige Herausforderung. Da können Sie auch noch ein bisschen dazulernen..."

Delling protestierte vergeblich. Er durfte nur noch eine Frage stellen. Klopp gestand, dass er, jedes Mal, wenn er einen seiner Spieler im Arm habe, wisse, "dass ich ihn möglicherweise zum letzten Mal im Arm habe. Dann sind sofort die Tränen da. Das ist brutal".

"Ich muss nun Dinge verarbeiten und werde das tun, wenn ich nicht mehr eine Kamera im Gesicht habe", sagte er noch. Dann verabschiedete er sich rasch.

Nur das Happy End für Jürgen Klopp und den BVB fehlte

Die 90 Minuten von Berlin waren noch einmal ein Querschnitt dessen, was der BVB in der zu Ende gegangenen Ära, die Klopp geprägt hat, häufig geboten hat. Nur das Happy End fehlte diesmal. Leidenschaft, hohes Engagement und eine emotionale Spielweise - nicht immer perfekt, aber stets packend und mitreißend. Der Beginn des vierten großen Finals, das die Dortmunder unter der Ägide von Klopp gespielt haben, schien nahezu perfekt zu sein.

Die Borussen attackierten die Wolfsburger unerhört früh, spielten gnadenloses Pressing, schalten blitzschnell von Abwehr auf Angriff um: Die Führung durch Pierre-Emerick Aubameyang war folgerichtig wie verdient. Der Gegner, personell und formtechnisch die bessere Mannschaft, war beeindruckt, verunsichert - gemäß einer alten Klopp-Weisheit: Mit Engagement zogen die Dortmunder die Wolfsburger auf ihr Niveau herunter.

Der heißeste Verein mit dem heißesten Trainer

Doch der BVB ist nicht mehr der BVB von 2011, als die erste Meisterschaft unter Klopp geholt wurde, und erst recht nicht mehr der BVB von 2012, als erstmals in der Vereinsgeschichte das Double gewonnen wurde. Waren das noch Zeiten: Mit 5:2 wurde im DFB-Pokalfinale der FC Bayern vorgeführt, gedemütigt. Es war der Höhepunkt der Ära Klopp: Die Dortmunder waren der junge, dynamische und vor allem sympathische Gegenentwurf zu den Münchenern: Der heißeste Verein Deutschlands mit dem mit Abstand heißesten Trainer - "echte Liebe" halt, wie es der BVB selber mit einem geschickten wie passenden Slogan zum Ausdruck brachte.

Die Liebe und auch die Leidenschaft ist noch immer vorhanden zwischen Klopp und seinem BVB, auch und gerade nachdem er Mitte April verkündet hatte, dass er zum Saisonende gehen wird. Er hätte das Gefühl gehabt, nicht mehr "der perfekte Trainer" für diese Mannschaft zu sein. Tatsächlich, so der Eindruck vom Pokalfinale 2015, hat er keine perfekte Mannschaft mehr gehabt.

Fehler des Gerechtigkeitsfanatikers?

Mit dummen Fehlern bauten die Dortmunder die Wolfsburger wieder auf: Mitch Langerak patzte vor dem 1:1, als er den Freistoß von Naldo nach vorn abprallen ließ. Den Schuss von De Bruyne, der durch die Beine von Hummels ging, sah er spät, doch unhaltbar schien der auch nicht. Beim 1:3 konnte Marcel Schmelzer Ivan Perisic nicht an der Flanke hindern, in der Mitte gingen Neven Subotic und Mats Hummels nicht energisch gegen Dost zu Werke, Langerak verharrte auf der Linie.

War es ein Fehler, dass Klopp dem Australier dieses Finale geschenkt hatte? Nein, zumindest nicht aus Klopps Sicht: Langerak hatte sich dieses Spiel verdient - durch gute Leistung im DFB-Pokal und vor allem durch jahrelange Loyalität. Der Gerechtigkeitsfanatiker Klopp hatte nach bestem Gewissem entschieden.

Er muss sich anschließend trotzdem hilflos gefühlt haben. An der Seitenauslinie tobte er, lieferte sich hitzige Wortgefechte mit Freund Dieter Hecking. Es nutzte nichts, er verlor sein letztes Spiel. Der Traum, noch einmal im Triumph um den Borsigplatz zu fahren, platzte.

Tränen mit Müh und Not vermieden

"Das, was wir in den vergangenen sieben Jahren zusammen erreicht haben, lässt sich in keinster Weise schmälern", hatte er vor einer Woche gesagt. Doch die Niederlage fühlte sich dann trotzdem verdammt bitter an.

"Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz", riefen die Dortmunder Fans, als sich die Mannschaft mit Klopp anschließend auf die Ehrenrunde durch das Olympiastadion machte. Sie waren dabei mindestens doppelt so laut wie die Fans des VfL Wolfsburg, die gleichzeitig den neuen Deutschen Pokalsieger feierten. Jürgen Klopp muss dabei sehr mit sich gerungen haben, um nicht in Tränen auszubrechen.


22.12 Uhr war er dann oben auf dem Podest, bekam von Bundespräsident Joachim Gauck die Medaille umgehängt. Das Bild erschien auf den Videowänden des Stadions, das ganze Stadion applaudierte. Nun hatte er zumindest den offiziellen Teil hinter sich. Anschließend feierte er zusammen mit der Mannschaft Abschied. Da konnte er sich gehen lassen - im Kreis der Familie sind Tränen keine Schande.

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