Monday, June 15, 2015

Borussia Dortmund: Was Thomas Tuchel von Jürgen Klopp unterscheidet

Borussia Dortmund - Press Conference


Nach dem Rücktritt von Jürgen Klopp schwingt ab der kommenden Saison Thomas Tuchel das Zepter bei der Dortmunder Borussia. Somit tritt er wie schon in Mainz in die großen Fußstapfen seines Vorgängers. Das wars dann aber auch schon wieder mit den Gemeinsamkeiten. Den fußballerisch wie auch menschlich ist Tuchel aus einem völlig anderen Holz geschnitzt. Und genau darauf sollte der Coach setzen.

Man wolle keinen Klopp-Klon, hatten die BVB-Verantwortlichen immer wieder betont. Das ist auch verständlich, denn ein Jürgen Klopp ist Eins zu EIns schlichtweg nicht zu ersetzen. Mit Thomas Tuchel legte man nun zwar keine 180-Grad-Wende hin, wohl aber einen Kurswechsel, den alle Beteiligten früher oder später zu spüren bekommen werden. Denn unter Tuchel wird sich in Dortmund einiges ändern. 

Betrachten wir zunächst einmal die fußballerische Seite: Dort gibt es auf den ersten Blick durchaus Parallelen zwischen den beiden Toptrainern. Sowohl Tuchel als auch Klopp gelten als "moderne" Trainer, auch die Liebe zum Kapuzenpulli statt zum schicken Anzug teilen sich die beiden. Philosophisch ist Tuchel jedoch anders veranlagt. Tuchel ist ein akribischer Taktiker, der bis ins letzte Detail am Spiel seiner Mannschaft feilt. Er prägte den Begriff des "Matchplans", mittels dem er sein Team perfekt auf den Gegner einstellte. Dabei durfte sich selbst der gestandenste Leistungsträger seines Stammplatzes nie sicher sein, denn unter Tuchel spielt stets der, der am besten in den "Matchplan" passt. Gut möglich, dass er auch in Dortmund seine kräftigen Rotationen durchführen wird. Diese Ausrichtung auf den Gegner, das Mantra "Die gegnerischen Schwächen erkennen und nutzen" steht vollkommen konträr zum Kloppschen Credo "Die eigenen Stärken ausspielen". Jürgen Klopp hatte hinter sich in Zejko Buvac den Taktiker, den heimlichen Architekten des Dortmunder Überfallspiels. Nur in wenigen Ausnahmefällen versuchte man sich unter Klopp dem Gegner anzupassen. Tuchel als "unterwürfig" oder "linienlos" zu bezeichnen, würde über das Ziel hinausschießen. Dennoch gehört er zu der Sorte von Trainern, die nicht auf Teufel komm raus gegen jeden Gegner das eigene Spiel durchbringen müssen. Dass kann von Vorteil sein, muss es jedoch nicht. Über die genauen taktischen Anpassungen darf man sich dann zu Beginn der Saison unterhalten. 

Noch unterschiedlicher als im fußballerischen Denken sind die Menschen Tuchel und Klopp. Jürgen Klopp war ein Lebemann, leidenschaftlich und vermutlich der am besten vermarktbare Trainer im Geschäft. Klopp erlangte selbst außerhalb des Sports Berühmtheit und Sympathiwerte, mit denen er Politiker hätte werden können. Tuchel wird dies vermutlich nie gelingen. Dafür wirkt er zu unterkühlt, zu berechnend, zu rational. Die flapsigen Sprüche mit ulkigen Pointen werden den Dortmunder Presseraum daher mit Klopp verlassen haben. Tuchel konzentriert sich medial auf das Wesentliche, er genießt das Rampenlicht nicht, für ihn ist es eher notwendiges Übel. Viel lieber arbeitet er auf dem Platz mit den Spielern und im Büro an der Taktik. 
Das Paradoxe ist: Trotz und gerade wegen seiner Aura und seine öffentlichkeitsaffinen Art ist Klopp auch der größere Spielerfreund. Im Umgang mit seinen Akteuren wirkte er oft kumpelhaft. Mehr Bruder- als Vaterfigur und sehr, sehr locker. Tuchel dagegen wahrt klare Distanz zwischen sich und seinen Spielern. Er ist der Chef und dementsprechend gibt er den Ton an. Das tut vielen Spielern gut, hin und wieder werden dem Coach jedoch auch "diktatorähnliche" Züge vorgeworfen. Wie er in Dortmund ankommen wird, hängt vermutlich auch vom Erfolg ab, den Tuchel mit seiner Art haben wird. 

Fest steht: Unter Thomas Tuchel wird sich beim BVB einiges ändern. Inhaltlich und auch äußerlich. Das Image der (fast schon zu) sympathischen Spaßmannschaft, deren Trainer größer ist als das Team, wird der BVB ziemlich sicher verlieren. Was Neutrainer Tuchel nicht zu einer schlechten Wahl macht. Denn schlechter als Klopp ist er mitnichten. Einfach nur anders. 

No comments:

Post a Comment