Ein Erfolgsgespann für die Zukunft? Hans-Joachim Watzke, Thomas Tuchel und Michael Zorc (v.l.n.r.)
Vor vier Tagen verlor der BVB das Pokalfinale. Es herrschte Tristesse, kaum jemand hatte Lust auf Fußball. Mit der Vorstellung von Thomas Tuchel wandelte sich das Bild schlagartig.
Was hatte die große Medien- und die noch größere Fanlandschaft bei Borussia Dortmund nicht für Zweifel an der Person Thomas Tuchel. Nein, keineswegs die fachliche Kompetenz stand im Mittelpunkt der Reserviertheit. Vielmehr waren es die menschlichen Eigenschaften des Trainers, der im Vergleich zu Vorgänger Jürgen Klopp deutlich kühler und analytischer wirkt. Nach nur 30 Minuten waren die Bedenken erstmal verflogen. Bei der ersten Pressekonferenz als neuer BVB-Trainer präsentierte sich Tuchel realistisch, analytisch, zielstrebig und vor allem sympathisch. Zweifel? Vorerst ausgeräumt!
Tuchels öffentliche Auftritte waren im vergangenen Jahr rar gesäht. Der eine oder andere wunderte sich, dass er nun deutlich schlanker war als noch in seinen Mainzer Zeiten. Tuchel scheint die Pause gut getan zu haben. Er habe "Urlaub gemacht, Zeit mit Familie verbracht. Gelernt langsam zu leben, ohne den Tag durchzutakten“. Kurz: Er war ein ganz normaler Mensch ohne den täglichen Irrsinn eines Bundesligatrainers.
Fokus wieder auf Fußball
In diesen gut zwölf Monaten seines "Sabbaticals“ wollte er seine 14 Trainerjahre "wirken lassen“. Selbst die WM in Brasilien ließ er nach eigener Aussage links liegen. Doch nun sei er wieder voll fokussiert auf den Fußball. Diese Aussage nahm man ihm voll und ganz ab.
Mit klaren Worten und in einer kompetent wie eloquenten Art und Weise erklärte er seine Vorstellung, wie er mit dem BVB Fußballspielen will. Dabei dankte er seinem Vorgänger indirekt: "Dortmund hat einen Stil geprägt. Es geht nicht darum, einen zu erfinden. BVB steht für einen aktiven Angriffsfußball.“ Dem will er vor allem eines geben: Flexibilität. Das betonte er gleich mehrfach.
Und er will "dominant“ auftreten auf dem Platz. Genau das, was der Dortmunder Mannschaft zuweilen abgeht. Im Ballbesitz wussten die Spieler zu häufig nichts mit sich und dem Spielgerät anzufangen. Dieses Problem war nicht schwer zu erkennen für einen außerordentlich guten Theoretiker wir Tuchel einer ist. Nun gilt es für ihn, seinen Plan auch umzusetzen.
Dass dies nicht einfach wird, ist ihm bereits bewusst. Zu kurz ist die Vorbereitung, die ihm und seinem Trainerstab zusteht. Gerade einmal knapp vier Wochen bleiben Tuchel, wenn er am 29. Juni zum ersten Training bittet. Dann steht auch schon bald bereits das erste Pflichtspiel in der Europa-Leauge-Qualifikation an. Zwischendurch fliegt der BVB noch zu einer Promotion-Tour nach Asien.
Bereits zu in seiner ersten Pressekonferenz bat er Verantwortliche, Fans und Medien um Geduld. "Die Aufbauphase (Spielprinzipien zu generieren, flexibler mit System umgehen, körperliche Grundlage, Anm. d. Red) muss bis in die Saison gehen. Weniger ist am Anfang vielleicht mehr. Wir dürfen nicht den Fehler machen, in die ersten vier Wochen alles hereinzupressen“, erklärte Tuchel.
"Atmosphäre frei von Egoismen und mit Leidenschaft“
Daher fordert er von seinen Spielern "eine Haltung mit Fleiß, Bescheidenheit, Mut, Offenheit und Beharrlichkeit.“ Es sei eine "Atmosphäre frei von Egoismen und mit Leidenschaft“ notwendig. Klare Ansage von Tuchel: Die Mannschaft und der Verein stehen über allem anderen.
Um das zu schaffen, will er auch zunächst mit dem ganzen Kader zusammenarbeiten. "Ich will mir ein verlässliches Bild von Qualitäten und Charakteren machen“, sagte Tuchel am Mittwoch. Schließlich könne er sich am Fernseher kein Bild davon machen, warum der Spieler "die aktuelle Form hat“, "wie er sich fühlt“ und warum er auf welcher Position spielt. Bedeutet: gleiche Chance für alle Spieler.
Gut möglich also, dass hinterher ein Spieler in der Startelf beim BVB stehen wird, der bisher eher eine untergeordnete Rolle spielt. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur einmal Defensivkraft Matthias Ginter genannt, der eine schwierige erste Saison in Dortmund hatte und nun vom neuen Trainer profitieren könnte.
Tuchel wird den BVB zwar nicht komplett umkrempeln, aber er wird ihn weiterentwickeln. Tuchel ist motiviert und arbeitet tiefgründig. Seine Ausführungen waren sehr detailliert. Jeder wusste, dass der neue Trainer ein Fachmann ist. Nun hat er auch (erst einmal) die Zweifler auf seine Seite gezogen. Dass es sein "großer Wunsch war“, einen Traditionsverein zu trainieren, lässt ihm die Sympathien der Fans schlagartig zufliegen. Die "hohe Flexibilität“, die Manager Michael Zorc den Mannschaften von Tuchel attestierte, wird dem BVB definitiv weiterhelfen.
"Ab heute sind wir im Kampfmodus", erklärte Hans-Joachim Watzke. Nun muss Tuchel nur noch beweisen, dass er dem großen Druck auch standhalten kann. Denn wie Jürgen Klopp bei seinem letzten offiziellen Auftritt als BVB-Trainer sagte: "Es ist nicht wichtig, was die Leute von einem denken, wenn man kommt, sondern was sie denken, wenn man geht".
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